04.05.2017 15:30
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Im Fokus: China - Neue Seidenstraße

Der chinesische Marshallplan?

Schon ein chinesisches Sprichwort besagt: Willst du reich werden, baue zuerst eine Straße. Chinas Wirtschaftsführung hat diese Redewendung in den letzten Jahrzehnten in die Tat umgesetzt. Denn das rasante Wirtschaftswachstum wird von massiven Infrastrukturausgaben mitgetragen, welche neue Straßen, Tunnel oder komplette Stadtviertel in Rekordzeit errichten lassen. Ein Vorbild für angehende Schwellenländer? Zweifellos, die unterentwickelte Infrastruktur in vielen Schwellenländern verhindert wirtschaftliches Vorankommen. Deshalb hat es sich die chinesische Regierung zum Auftrag gemacht, ihr auf hohen Infrastrukturausgaben basierendes Wachstumsmodell unter dem Begriff „Neue Seidenstraße“ zu exportieren. Die umliegenden Nachbarstaaten sollen durch chinesisches Know-how und Finanzmittel einen erheblichen Schub in ihrer infrastrukturellen Entwicklung erfahren. Dieser chinesische Marshallplan ist vermutlich nicht frei von Eigeninteressen.

 

Das massivste Infrastrukturprogramm des 21. Jahrhunderts

Unter dem Terminus „Neue Seidenstraße“ oder „One Belt, One Road“(chinesisch: „带一路“: „ein Gürtel, eine Straße“) verbirgt sich ein umfangreiches Investitionsprogramm in neue Straßen, Tiefseehäfen, Containerterminals, Flughäfen, Pipelines, Stromnetze sowie Schienen- und Wasserwege, welche Chinas Zugang zu seinen wichtigsten Handelspartnern langfristig sichern sollen. Das Gesamtvolumen der Initiative ist dabei schwer zu quantifizieren. Um die wirtschaftliche Entwicklung im Asiatisch- Pazifischen-Raum nachhaltig zu fördern, beziffert die Asian Development Bank (ADB) das notwendige Investitionsvolumen der Jahre 2016-2030 auf 26 Billionen US-Dollar. Ein Großteil soll hiervon durch breit angelegte Projekte auf der Neuen Seidenstraße durch chinesische Hilfe erfolgen. Die Regierung in Peking hat hierfür einen staatseigenen Seidenstraßen-Fonds aufgelegt, der in den der Neuen Seidenstraße angrenzenden Ländern Infrastrukturmaßnahmen finanzieren und Unternehmensgründungen sowie Joint-Ventures ermöglichen soll. Die Asian Development Bank, die Asiatische Infrastrukturinvestment Bank, die New Development Bank der BRICS und die staatseigenen chinesischen Banken treten als maßgebliche Financiers der neuen Handelsroute auf.

 

Wiederbelebung der mittelalterlichen Seidenstraße

Aus historischer Sicht bezieht sich das ehrgeizige Projekt auf die mythische Seidenstraße aus dem Mittelalter, welche von den Handelszentren in Europa zu See und zu Lande über Zentralasien zu den chinesischen Metropolen reichte. Die Ursprünge dieser historischen Seidenstraßen reichen bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. zurück und beschreiben eine weitreichende Serie von Karawanenstraßen, auf denen unterschiedlichste Handelsgüter ausgetauscht wurden. Nicht nur die Länge der historischen Seidenstraße ist beeindruckend. Die gehandelten Güter mussten auch eine Vielzahl unterschiedlicher Klimazonen, Gebirgszüge und Vegetationen durchqueren, bis sie ihren Zielort in der alten Welt erreichten. In Europa begehrte Seidenstoffe konnten so nach mehrmonatiger Reise den Verbraucher in Venedig oder Antwerpen erreichen und gaben der Handels-route ihren einprägsamen Namen. Dabei ist nicht nur der Handel mit Seide hervorzuheben, auch in Europa hergestellte Güter wie Glas fanden auf der Seidenstraße ihren Weg nach China. In gewisser Hinsicht ist die historische Seidenstraße Ausdruck eines multilateralen Handelsabkommens zwischen den europäischen Königreichen und Re-publiken im Westen, den Beduinen und Nomaden in Zentralasien sowie den chinesischen Fürsten und Warlords im Osten.

 

Graduelle Umsetzung erfolgt bereits

Mit der bei einem Staatsbesuch in Kasachstan im Herbst 2013 angekündigten Neuen Seidenstraße unternahm die chinesische Regierung einen Vorstoß zur Reaktivierung dieser historischen Handelsverbindung. Diese soll nach dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2000 der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas neuen Schub geben. Die Neue Seidenstraße teilt sich dabei in einen Land-, den „Gürtel“, und in einem Wasserweg, die „Straße“. Im westlichen China startend, soll in der ersten Stufe über den Landweg ein weitreichender Anschluss der zentralasiatischen Staaten an das chinesische Infrastrukturnetz erfolgen. Die Landverbindung soll in einer weiteren Ausbaustufe später auch den Mittleren Osten, Russland sowie Europa erreichen. Parallel will Peking durch eine Vielzahl von verschiedenen Hafenprojekten verstärkt die asiatischen Nachbarstaaten, die Ostküste Afrikas und über den Suezkanal auch Europa in sein Handelsnetz einbeziehen. Die Investitionen chinesischer Unternehmer in den Hafen von Piräus oder im pakistanischen Gwadar, über den die chinesischen Westprovinzen an die Weltmeere angeschlossen werden sollen, sind Teile dieser Integrationsstrategie.

 

Weiterentwicklung chinesischer Außenpolitik

Nicht nur die ökonomischen Dimensionen der Initiative sind prägnant. Das Investitionsprogramm der Neuen Seidenstraße ist unmittelbar mit einer fundamentalen Modifizierung der chinesischen Außenpolitik verbunden und geht über den Ausbau der handelspolitischen Wege Chinas hinaus. Das Investitionsvorhaben soll von neuen Freihandelsabkommen flankiert, von chinesischen Unternehmensgründungen in den betreffenden Staaten begleitet und durch die Gründung von Freihandelszonen und zollfreien Häfen ergänzt werden. Hierdurch sollen zunächst die zentral- und südost-asiatischen Anrainerstaaten stärker an Peking gebunden werden. Zusätzlich fördert die chinesische Regierung den kulturellen Austausch mit den Staaten der Neuen Seidenstraße, etwa durch die Etablierung von Studienprogrammen für Studenten. Schon die historische Seidenstraße unterstützte den Transfer von kulturellen und technologischen Errungenschaften zwischen Orient und Okzident. Auf der Neuen Seidenstraße hat dieser Kulturaustausch eine starke chinesische Prägung und soll so die Vormachtstellung im asiatisch-pazifischen Raum langfristig sichern. Gerade nach der Absage des Transpazifischen Freihandelsabkommens TPP durch die USA scheint China hierfür prädestiniert. Dabei wird sich der Wachstumseffekt auf das globale Wirtschaftswachstum im Vergleich zu den massiven Infrastrukturprojekten Chinas weniger markant auswirken und sich zudem auf einen längeren Zeithorizont ausdehnen. Regulatorische Hindernisse, Umweltauflagen und eine hohe Kollusion an Einzelinteressen der beteiligten Staaten müssen bei der Implementierung von Projekten und Initiativen überwunden werden.


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Quelle

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