18.11.2016 09:08

20 Jahre T-Aktie: Sieben Lehren aus dem T-saster

Am 18. November ist es genau 20 Jahre her, dass die Deutsche Telekom an die Börse gegangen ist. Nach anfänglichen Gewinnen wurde die T-Aktie zum Milliarden-Flop. Umso wichtiger, dass Anleger aus den Fehlern von einst die richtigen Schlüsse ziehen – und beispielsweise nie wieder allzu viel Geld auf einmal in Aktien pumpen oder sich von Vater Staat und prominenten Fernsehnasen zu Investment-Sünden verleiten lassen. Gleichzeitig ist die T-Aktie reif für einen gedanklichen Neustart, denn der Blick auf die alten Kurse sorgt doch bloß für Frust.

Am 18. November ist es genau 20 Jahre her, dass die Deutsche Telekom an die Börse gegangen ist. Auf den wilden Rausch folgte der Kater: Zweieinhalb Jahre, nachdem die Aktie in dreistelligen Regionen notiert hatte, stürzte der Kurs sogar auf unter zehn Euro ab. Millionen von Privatanlegern verloren nicht nur viel Geld, sondern auch das Vertrauen in die Aktie als Geldanlage. Erst seit es kaum noch Zinsen gibt, ist das Interesse an Aktien wieder erwacht. Mit der Euphorie von vor 20 Jahren hat das zwar nichts zu tun, doch gerade deshalb ist es so wichtig, dass die Sache nicht abermals schiefgeht. Deshalb –  sieben Lehren aus dem Börsengang der Deutschen Telekom.

1.      Schritt für Schritt einsteigen

Ob Aktienkurse gerade hoch oder niedrig sind, weiß man immer erst hinterher. Alles Geld auf einmal zu investieren, bloß weil gerade wie einst bei der Telekom irgendeine Zeichnungsfrist tickt, ist deshalb Harakiri. Wer etwa jetzt  50.000 Euro aus einer Lebensversicherung ausgezahlt bekommt, das Geld aber erst in 10 bis 15 Jahren braucht, kauft erstmal nur Aktien für 10.000 Euro – und teilt den Rest auf drei oder vier Tranchen auf, die zu fixen jährlichen Terminen nachgeschossen und nur bei stärkeren Kursrückgängen vorzeitig abgerufen werden.

2.      Klumpenrisiken vermeiden

Nicht wenige Anleger waren von der rosaroten Zukunft dermaßen beseelt, dass sie nach dem dritten Börsengang ein Viertel oder gar ein Drittel ihres Vermögens in T-Aktien stecken hatten. Gerade der Fall des Rosa Riesen zeigt jedoch, wie gefährlich es ist, sein finanzielles Schicksal einer einzigen Firma auszuliefern. Deutlich mehr als drei Prozent vom Portfolio sollte deshalb auf keine Aktie entfallen. Ein systematisch über verschiedene Länder, Branchen und Währungsräume gestreutes Portfolio kommt mithin auf 25 bis 40 Positionen – was sich mit Blick auf die Ordergebühren erst ab Beträgen von mehr als 25.000 Euro lohnt. Wer diese kritische Größe nicht erreicht, greift lieber zu Fonds.

3.      Nicht auf Prominenz vertrauen

Dass viele Deutsche vor 20 Jahren erstmals dem Sparbuch untreu geworden sind und Aktien gekauft haben, lag nicht nur am Internet-Boom, sondern auch an Manfred Krug. Der kürzlich verstorbene Schauspieler hatte durch seine Vita und seine Rollen das, was man heute „Street Credibility“ nennt. Wenn sogar der Kleine-Leute-Anwalt („Liebling Kreuzberg“) und „Tatort“-Kommissar seinen Namen für die T-Aktie gab, dann musste das ja etwas Ordentliches sein.

Kein Wunder, dass Krug seinen Werbe-Einsatz später bitter bereute – ähnlich wie Moderator Johannes B. Kerner, der für die Aktien der flügellahmen Air Berlin getrommelt hatte, oder die Gottschalk-Brüder, deren Fans mit der Kampagne für den Börsengang der Deutschen Post auch erstmal über 50% Verlust einfuhren. Aber prominente Fernsehnasen können nun einmal weder den gesunden Menschenverstand noch den Anlageberater ersetzen, der die Ziele und Wünsche seines Mandanten aus der täglichen Praxis kennt. Dasselbe gilt übrigens auch für die von den Medien hochgejubelten Börsengurus.

4.      Vater Staat ist kein Verbündeter

So manch einer fand die Werbespots mit Manfred Krug („Jaja, wer zu spät kommt, den... Sie wissen schon!“) allerdings eher peinlich und vertraute lieber auf Vater Staat. Der hatte den Telekom-Börsengang schließlich inszeniert und würde seinen Bürgern ja wohl keinen Schrott andrehen. Denkste! Wenn Regierungen das Tafelsilber verhökern, sollten sie – im Interesse der Allgemeinheit – den Preis ausreizen. Doch was gut für die Staatskasse ist, schadet den privaten Aktionären.

Das zeigt auch die bislang letzte börsliche (Teil-)Privatisierung in Deutschland: Die Aktien des Hamburger Hafen-Logistikers HHLA, nach wie vor zu 65% im Besitz der Hansestadt, kamen 2007 zu 53,00 Euro an die Börse und kosten derzeit mit 15,00 Euro noch weniger als auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise.

5.      Fette Dividenden als Warnsignal

Nicht nur als Verkäufer, auch als Anteilseigner steht die öffentliche Hand nicht unbedingt auf derselben Seite wie die übrigen Aktionäre. Denn die Konjunktur kann gar nicht so gut laufen, dass keine Haushaltslöcher zu beklagen wären – die sich mit üppigen Dividenden teilprivatisierter Betriebe trefflich stopfen lassen. Der frühere Chef-Telefonist René Obermann ließ sich vom Bund, der nach wie vor knapp ein Drittel der T-Aktien hält, sogar zu einer mehrjährigen zu einer Ausschüttungsgarantie hinreißen. Bei Kursen um 10,00 Euro lockte die Telekom auf diese Weise zwar mit Renditen von acht Prozent, doch wurden diese eben nicht operativ verdient, sondern aus der Substanz herausgeschnippelt. Bezeichnend: Nachdem Anfang 2014 Tim Höttges den Vorstandsvorsitz übernommen und die Dividende auf vernünftige 0,50 Euro gestutzt hatte, kletterte die T-Aktie binnen eines Jahres von 11,00 auf 17,00 Euro.

6.      Finger weg von neuen Aktien

Natürlich sind regelmäßige Börsengänge ein Indiz für einen funktionierenden Kapitalmarkt und eine prosperierende Volkswirtschaft. Doch die Parkett-Debütanten sind vor allem für Großanleger interessant, die ein Unternehmen genau durchleuchten und bei Bedarf auch Einfluss nehmen können. Privatanleger dagegen sollten nicht Versuchskaninchen spielen und lieber auf etablierte Unternehmen setzen, die schon mindestens einen kompletten Wirtschaftszyklus im Fokus der Börsenöffentlichkeit absolviert haben – so dass man zumindest grob abschätzen kann, wie krisenfest das Geschäftsmodell und wie verlässlich die Dividende ist.

Der bereits seit 1983 börsennotierte US-amerikanische Telefon-Riese Verizon etwa hat seine Ausschüttung seit über einem Vierteljahrhundert nicht gesenkt und seinen Aktionären in den letzten zwei Jahrzehnten (inklusive reinvestierter Dividenden) eine Vervierfachung ihres Investments beschert.

7.      Mit der Vergangenheit abschließen

Die tragische Historie der rosaroten „Volksaktie“ darf nicht davon ablenken, dass die Deutsche Telekom spätestens unter der Ägide von Tim Höttges ein ganz normales Unternehmen geworden ist. Das auf den Netzbetrieb fokussierte Geschäftsmodell versprüht zwar wenig Glamour, sorgt aber für halbwegs planbare Cashflows. Zusammen mit dem Wachstumsträger T-Mobile US sollte das reichen, um auf absehbare Zeit stabile bis leicht steigende Dividenden zahlen zu können. Für Kurspotential, das signifikant über den 2015 ausgebildeten Widerstand bei 17,50 Euro hinausgehen würde, mangelt es dagegen an Phantasie.

Wer noch Bestände aus „alten Zeiten“ hat, sollte deshalb einen gedanklichen Schnitt machen. Der Blick auf die alten Einstandskurse beschwört schließlich bloß immer wieder neuen Frust herauf  – denn selbst bei einem Dividendenwachstum von 5% p.a. würde es bis 2028 dauern, bis man (bei unverändertem Aktienkurs) die 1999 beim zweiten Börsengang bezahlten 39,50 Euro durch jährliche Ausschüttungen wieder zusammen hätte. Und bis die 66,50 Euro, die anno 2000 beim dritten Börsengang zu berappen waren, durch Dividenden wieder hereingespielt sind, werden realistischerweise sogar noch weitere gut 20 Jahre ins Land gehen.

T-Aktie: Sieben Lehren Deutsche Telekom

 

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Christian W. Röhl ist Unternehmer, Kapitalmarkt-Stratege – und Investor, der sein eigenes Vermögen verwaltet. Einblicke in seinen Investment-Alltag gibt der Autor des manager magazin-Bestsellers "Cool bleiben und Dividenden kassieren" auf seinem Blog DividendenAdel sowie in Vorträgen und Workshops.

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