14.09.2018 08:15
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Meinung weekly: Zehn Jahre Lehman Brothers: Haben wir etwas gelernt?

Der 15. September 2008. Noch heute weckt der Konkurs der ehemals fünftgrößten Investmentbank der USA, der vor zehn Jahren den Beginn der schwersten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg markierte, bei vielen Menschen bittere Erinnerungen. Denn sie verbinden dieses Ereignis weniger mit abstrakten Konstrukten wie „das BIP schrumpfte um 5 %“, „der Geldmarkt fror ein“ oder der „Welthandel brach zusammen“, sondern mit ganz persönlichen Schicksalen. Männer und Frauen, die innerhalb kürzester Zeit ihren Job, ihr Zuhause und ihre Ersparnisse verloren. In nur einem Jahr büßten in den USA neun Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz ein, in Griechenland waren im Jahr 2013 knapp ein Drittel aller Beschäftigungsfähigen ohne Job und noch heute sind dort, aber auch in Italien, Zypern und anderen Ländern die Folgen der Finanzmarktkrise zu spüren. Die These, der aufkeimende Rechtspopulismus hätte seinen Ursprung in dem durch die Finanzmarktkrise ausgelösten Zusammenbruch vieler Volkswirtschaften, scheint nicht allzu gewagt zu sein. Umso dringlicher stellt sich die Frage, ob die Politik, die Privatwirtschaft einschließlich der privaten Haushalte aus der Krise gelernt haben.

Die Antwort darauf fällt zwiespältig aus. Der Privatsektor scheint in vielerlei Hinsicht geimpft gegen Risiken, die man früher mit den Worten kommentierte „das kann ich mir nicht vorstellen“. Der Konkurs von Staaten, Brexit, ungewöhnliche Präsidentschaftskandidaten usw., all das wird in Betracht gezogen. Das führt zu der durchaus positiven Entwicklung, dass die Märkte ihre Disziplinierungsfunktion in vielen Segmenten wieder wahrnehmen. Die Spreads italienischer Bonds haben sich in den vergangenen Wochen deutlich ausgeweitet, weil die neue Regierung kaum zu realisierende Budgetpläne kommuniziert hat und die Anleger für den Fall der Fälle nicht mehr auf eine Rettung mit öffentlichen Geldern hoffen. Ein weiteres Beispiel ist das britische Pfund, das unter Druck ist, weil zunehmend die Möglichkeit berücksichtigt wird, dass der nicht rationale Weg eines ungeordneten Brexit gegangen wird. Kurz: Das Risikomanagement in vielen Unternehmen hat sich deutlich verbessert.

Die Politik hat verstanden, dass nicht jede Art von Finanzmarktaktivität gut für die Schaffung von Wohlstand ist, sondern durch kluge Regulierung in geordnete Bahnen gelenkt werden muss. Das Ergebnis ist ein insgesamt stabilerer Bankensektor, der allerdings in der Eurozone an einer Ertragsschwäche leidet, die die USA sehr rasch überwunden haben. Und es fehlen noch wesentlichen Elemente, um den Bankensektor nachhaltig auf gesündere Beine zu stellen. Dazu zählt insbesondere, den gefährlichen Nexus zwischen Staatsfinanzen und Banken zu lösen, in dem endlich eine Risikogewichtung für Staatsanleihen eingeführt und ein Insolvenzrecht für Staaten verabschiedet wird.

Man wird auch in Zukunft Finanzmarktkrisen nicht verhindern können. Und natürlich ist es schwer, Vermögenspreisblasen zu erkennen. Die wichtigste Erkenntnis ist aber vielleicht, dass im Moment der Blasenbildung eine große Mehrheit von dieser Entwicklung profitiert – bei der US-Immobilienpreisblase waren das die Bauwirtschaft, die Immobilienwirtschaft, die Hausbesitzer, die kreditvermittelnden Banken, die Ratingagenturen, die von Steuern profitierenden Kommunen, die von der guten Stimmung profitierenden Regierungen usw. Es gehört von Seiten der Politik viel Mut, Entschlossenheit und ein gutes Werkzeug zur Früherkennung von Blasen, um in heiß gelaufene Märkte einzugreifen. Nur so lässt sich die zerstörerische Kraft von Finanzmarktkrisen kontrollieren. Die Nagelprobe, ob die bisherigen Maßnahmen dafür ausreichen, kommt mit der nächsten Krise.

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